Zurück zu den WurzelnEin Holzofen und drei Generationen oder:Wie Heimkehrer Jürgen Csencsits dasSüdburgenland kulinarisch zu neuem Leben erweckte.TEXT: ACHIM SCHNEYDER FOTOS: MIRCO TALIERCIO >6 m E as ist die Geschichte von ei- M. S nem, der auszog, um eines Tages wieder nach Hause zu kommen. Dorthin nach Hause, wo die Welt so klein ist, dass vor dem Namen der Ortschaft die Postleitzahl steht und unmittelbar hinter dem Namen der Ortschaft auch schon die Hausnummer. Da braucht´s keine Straßennamen, da heißt´s einfach 0815 Dorfhausen 21 oder - wie in diesem Fall - 7512 Harmisch 13.7512 Harmisch 13 also. Wo das ist? Im Südburgenland ist das. Und was ist das? Eine erste, nein, eine allererste Adresse. Kulinarisch jedenfalls. Denn dies ist die Geschichte von Jürgen Csencsits, einem wahrhaft begnadeten Koch.Jürgen Csencsits steht in der Küche und befeuert den Ofen mit Holz. Ein Holzofen-Schweinsbraten heißt hier nämlich nicht nur so, es handelt sich auch um einen solchen. Hier in 7512 Harmisch 13, wo kein Etikettenschwindel betrieben wird und die Küche so authentisch ist wie die Wiesen weit sind, die Wälder voller Schwammerl und der Fuchs so freundlich ist, den Hasen nicht zu beißen, sondern ihm ergeben gute Nacht zu sagen.MIT EINEM HAUCH EXTRAVAGANZ„Der Holzofen ist das Herzstück", sagt Jürgen Csencsits. Um diesen Ofen herum hat er eine hochmoderne Küche gebaut; das freilich schon, denn eine solche braucht´s in einem gehobenen Wirtshaus wie diesem. Einem, das sich der Ehrungen und Auszeichnungen aus gutem Grund längst nicht mehr erwehren kann. Wohl auch nicht will.„Um aber ländliche Bodenständigkeit und gleichzeitig einen Hauch Extravaganz garantieren zu können, braucht´s eben auch den Holzofen", beharrt Jürgen Csencsits auf das gute Stück von vor seiner Zeit und nennt als Beispiel für die Extravaganz die ausschließlich in und auf diesem Ofen zubereiteten Stubenküken, die nicht nur knusprig und aufs Feinste gefüllt, sondern obendrein auch noch zur Gänze ausgelöst sind.Nun fragt sich vielleicht so mancher, warum ausgerechnet in 7512 Harmisch, dort also, wo - wenn man die Nummer 13 und alle anderen Hausnummern zusammenzählt - gerade einmal rund 130 Einwohner leben und das wahrlich HIER IST DIE KÜCHESO AUTHENTISCHWIE DIE WIESEN WEITUND DIE WÄLDERVOLLER PILZE SIND. weit weg vom Schuss liegt, gefüllte, zur Gänze ausgelöste und im Holzofen knusprig gewordene Stubenküken aufgetischt werden. Die Antwort ist denkbar einfach: weil er´s kann, der Jürgen Csencsits. Und darum kommen die Gäste auch gerne von ziemlich weit her. Servus 25 SERVUS IM WIRTSHAUS FRISCHKÄSE IM ZUCCHINIMANTEL auf Erbsencreme und wildem Kräutersalat ZUTATEN FÜR 4 PERSONENZeitaufwand: V: Stunde2 Frischkäse ä 200 g 2 ZucchiniFür die Erbsencreme:250 g tiefgekühlte Jungerbsen300 ml kalter Gemüsefond1 EL Olivenöl1 TL gehackte Minze1 TL SalzFür den Salat:Salatkräuter (z. B. kleiner roter Mangold, Sauerklee, Sauerampfer, Vogelmiere, Wilder Hopfen, Gundelrebe, Wiesenschaumkraut, Spitzwegerich)2 EL Thymianöl1 EL Zitronen-Balsamico Salz, Pfeffer ZUBEREITUNG1. Frischkäse aus der Lake nehmen und halbieren.2. Die Zucchini der Länge nach halbieren, entkernen und in dünne Streifen schneiden. Die Streifen für 10 Sekunden in kochendes Wasser legen und in kaltem Wasser abschrecken, auf Küchenpapier trocknen und den Frischkäse damit umwickeln.3. Alle Zutaten für die Erbsencreme fünf Minuten mixen und dann kaltstellen.4. Die Kräuter für den Salat säubern und in eine Schüssel zupfen. Mit Thymianöl und Zitro- nenbalsamico, Salz und Pfeffer marinieren.5. Die Erbsencreme auf Tellern verteilen, Kräutersalat und Frischkäse darauf platzieren. Die Geschichte von einem, der auszog, reicht zurück in den Sommer 1992. Damals packte der am 3. Oktober 1976 zur Welt gekommene Jürgen sein Ränz- lein und machte sich auf ins knapp achtzig Kilometer Luftlinie nördlich gelegene Schützen nahe Eisenstadt.VOM LEHRLING ZUM KÜCHENCHEFDer junge Mann, noch keine 16 und ursprünglich vom Traum beseelt, Fußballer oder Musiker zu werden, entschied sich also doch - und das zur Freude seiner Eltern - für eine Lehre als Koch. Dass er die Lehrstelle ausgerechnet im schon damals weit über das Burgenland hinaus bekannten Restaurant Tauben- kobel von Eveline und Walter Eselböck ergattern konnte, war dabei mehr als nur ein Glücksfall.Die „Lehrzeit" endete erst 15 Jahre später. Da war der einstige Lehrling bereits Walter Eselböcks verlängerter Arm in der Küche, erst Souschef, am Ende Küchenchef. Im heimischen Harmisch hatten Jürgens Eltern derweil das in den 1960er- Jahren von den Großeltern eröffnete Gasthaus - aus dieser Zeit stammt auch der Ofen - zu regionaler Bekanntheit geführt. DAS HERZ DERKÜCHE IST DEROFEN, DAS KOCHENAN SICH DIE GANZGROSSE FREIHEIT. Vorbei die Zeiten kulinarischer Absonderlichkeiten wie Toast Hawaii mit Cola-Rum, dafür gab´s seit den 1980ern erstklassigen Schweinsbraten, herrliche Schnitzel und im Herbst gebratene bur- genländische Weidegänse.Inzwischen aber schrieb man das Jahr 2007, und die Eltern hatten schön langsam keine Lust mehr. „Eines Tages", erinnert sich Jürgen, „haben sie mich gefragt, ob ich nicht heimkommen möcht."NIE ABGEHOBEN, STETS GEHOBENJürgen dachte eine Zeit lang nach und entschloss sich schließlich zu wollen, zumal sich auch seine Frau Melanie nach kurzem Hin und Her überzeugen ließ. Mittlerweile waren auch die Kinder Felix und Florian geboren, der eine 1998, der andere 2000, und so zog es das Quartett zurück zu Jürgens Wurzeln.Was Jürgen dabei mit im Gepäck hatte, war eine Vision: „Ich wollte das kulinarisch tote Südburgenland zum Leben erwecken."Nicht erst heute weiß man, dass ihm das gelungen ist. Nachdrücldich. Vielmehr war es von Anfang an klar, denn bereits im ersten Jahr erkochte sich der Heimkehrer eine Auszeichnung, und der Parkplatz war Wochenende für Wochenende gerammelt voll. 26 Servus • ••• •••• ..,..■......■,.. MEINE FISCHSUPPE mit Zander ZUTATEN FÜR 4 PERSONENZeitaufwand: 7 Stunde10 ovale Schalotten 4 EL Olivenöl1 gehackte Chilischote2 Limettenblätter1 Stange Zitronengras80 g geschälter und gewürfelter Ingwer2 EL süßes Paprikapulver 2 TL Weißweinessig 800 ml Hühner-oder GemüsesuppeSalz600 g ZanderfiletsSaft von 1 Limette1 roter Paprika1 gelber Paprika1 Zucchini1 EL gehacktes Koriandergrün ZUBEREITUNG1. Die Schalotten schälen und in dünne Ringe schneiden. In einer Pfanne mit Olivenöl ohne Farbe anschwitzen. Chilischote, Limettenblätter, Zitronengras und Ingwer zugeben. Paprizieren, sofort mit Weinessig ablöschen und mit Suppe aufgießen. Einmal aufkochen und mit Salz abschmecken.2. Die Zanderfilets in mundgerechte Stücke schneiden, mit Salz und Limettensaft würzen.3. Die beiden Paprika schälen, entkernen und klein würfeln, Zucchini waschen und würfeln.4. Fisch und Gemüse in die Suppe geben und langsam nochmals aufkochen lassen. Das Koriandergrün zugeben und in Tellern anrichten. Servus 27 SERVUS IM WIRTSHAUS GESCHMORTE LAMMSTELZE mit Fenchel und Steinpilzen ZUTATEN FÜR 4 PERSONENZeitaufwand: 2 Stunden8 EL Olivenöl4 Lammstelzen (ä 250-350 g) 2 TL Salz2 TL Fenchelsamen 1 gehackte Knoblauchzehe 1 TL geschroteter Pfeffer 1 EL gehackter Thymian1 EL gehackter Rosmarin5 in Ringe geschnittene Schalotten250 g geschälte und klein geschnittene Karotten 11 Gemüse- oder Hühnersuppe 125 ml Blaufränkisch2 Fenchel400 g Steinpilze200 g gewaschener BlattspinatZUBEREITUNG1. Das Backrohr auf 160 °C Heißluft vorheizen.2. Eine Pfanne mit 4 EL vom Olivenöl erhitzen und die Lammstelzen rundherum anbraten. Herausheben und mit Salz, Fenchelsamen, Knoblauch, Pfeffer, Thymian und Rosmarin würzen.3. Das restliche Olivenöl in die Pfanne geben, Schalotten und Karotten darin anbraten. Auf einem Blech verteilen und die Lammstelzen daraufsetzen. Mit Suppe und Blaufränkisch untergießen.4. Im vorgeheizten Rohr auf der mittleren Schiene die ersten 45 Minuten mit Alufolie bedeckt garen. Dann die Folie entfernen, die Stelze vorsichtig wenden und abgedeckt nochmals 45 Minuten braten.5. Fenchel halbieren und in Scheiben schneiden, Pilze grob schneiden. Die Lammstelzen mit Saft übergießen. Fenchel und Pilze zugeben und nochmals 15 Minuten braten.6. Die Stelzen herausnehmen und warm halten. Blattspinat klein schneiden und unter die Sauce mischen. Stelzen anrichten und die Sauce dazu verteilen. •jmgme^´i Wiener Autokennzeichen bildeten dabei trotz der relativ langen Anfahrtszeit stets die Mehrheit.„Niemals abgehoben, aber stets gehoben - so lautet mein Credo. Und eine Linie soll erkennbar sein. Meine Linie. Und die sieht so aus, dass ich auf Basis qualitativ hochwertiger Produkte aus der Region und mit saisonalen Zutaten zeitgemäße und jahreszeitlich inspirierte Gerichte kreiere, die höchsten Ge- nuss auf gut Burgenländisch bieten." Spricht´s und serviert seinen beiden Söhnen, die am Familientisch in der Küche Platz genommen haben, ein frühes Mittagessen.EIN PLATZ FÜR GROSSE FESTEOben im Eck über dem Tisch hängt übrigens ein Fernseher, es könnte ja ein Fußballspiel übertragen werden. Da würde der Koch dann mit einem Aug hinschauen.Jürgens Mama Helga hilft immer noch mit in der Küche. „Inzwischen auch gerne", sagt sie, „weil´s ja nicht mehr meine Küche ist." Melanie wiederum leitet den Service. Chefkellner Geza, der stets aus dem benachbarten Ungarn zur Arbeit anreist und liebevoll „Maitre" genannt wird, ist seit Jahren fixer Bestandteil des Teams.Eines Teams, das im Inneren des Hauses mit dem umgestalteten Festsaal, dem zeitlos eleganten Restaurantteil und dem Extrazimmer drei Bühnen bespielt. In der warmen Jahreszeit auch noch eine vierte, die große und vom Architektenduo Pichler & Traupmann entworfene Holzterrasse.Dass alles voll ist, kommt ob der vielen Sitzplätze - es sind übrigens mehr, als Harmisch Einwohner hat - naturgemäß selten vor.„Ausnahmen sind Hochzeiten oder andere Feste, für die wir dank der Räumlichkeiten prädestiniert sind", sagt Jürgen Csencsits. „Aber dass es nicht leicht und ein ständiger Kampf um Anerkennung und Gäste werden würde, war uns trotz des frühen Erfolgs rasch klar. Wir haben uns insofern gut darauf eingestellt, als wir zusätzlich Caterings veranstalten und man uns auch für ausgewählte Menüs in den unterschiedlichsten Orten buchen kann."HAUSBESUCH BEIM LIEFERANTENHinter dem Haus gibt es vier Hochbeete, Kräuter und Gemüse kommen also zum Teil aus eigenem Anbau. Roggen-, Dinkel- und Nussbrot werden selbst gebacken, Holunder- und Zitronen-Rosmarin- 28 Servus Das Südburgenland (links) lag kulinarisch brach. Doch dann kam Jürgen Csencsits und befeuerte den elterlichen Holzofen. KNUSPRIGER VANILLE-MILCHREIS mit Weingartenpfirsich ZUTATEN FÜR 4 PERSONENZeitaufwand: ca. IV2 Stunden130 g Rundkornreis 500 ml Milch 70 g Zucker Vz Vanilleschote 1 Prise Salz 125 ml Schlagobers1 Pkg. StrudelteigButter fürs Blech und zum Bepinseln Staubzucker zum BestaubenFür die Pfirsiche:8 Weingartenpfirsiche2 EL Zucker etwas Zitronensaft etwas PfirsichschnapsFür die Karamellsauce: 60 g Zucker 10g Butter 125 g Obers 1 Schuss MilchStaubzucker und Blüten zum GarnierenZUBEREITUNG1. Reis in einem Topf mit Wasser bedecken. Einmal aufkochen und abseihen.2. Milch, Zucker, Vanille und Salz in einem Topf aufkochen, Reis zugeben und noch 10 Minuten köcheln lassen. Beiseitestellen und auskühlen lassen. DannObers aufschlagen und untermischen. Das Backrohr auf 150 °C Heißluft vorheizen., Strudelteig halbieren. Die Blätter auf ein befettetes Backblech legen, mit zerlassener Butter einpinseln und mit Staubzucker bestauben. Im Rohr goldbraun knusprig backen., Pfirsiche waschen und die Haut an der Unterseite kreuzförmig einschneiden. 1 Minute in kochendes Wasser tauchen, dann sofort in Eiswasser abschrecken. Die Haut abziehen und die Früchte halbieren. Den Kern entfernen und die Pfirsiche in Spalten schneiden. 6. Zucker in einem Topf zerlassen, mit Zitronensaft und Schnaps ablöschen. Die Pfirsiche darin schwenken.7. Für die Sauce Zucker in eine Pfanne streuen und erhitzen, bis der Zucker geschmolzen ist und eine goldgelbe Farbe angenommen hat. Butter, Obers und1 Schuss Milch einrühren, den Karamell darin lösen und ca. 3 Minuten kochen.8. Milchreis auf Tellern verteilen, Pfirsiche, Karamellsauce und die zerbrochenen Strudelteigblätter abwechselnd daraufschichten. Mit Staubzucker und Blüten bestreuen. Servuf 29 SERVUS IM WIRTSHAUS Schon von weitem nicht zu übersehen: das Gasthaus Csencsits. Die verschiedenen Gasträume (rechts oben) sind stilvoll eingerichtet, das Glas Wein bei Freund und Lieferant Uwe Schiefer (im rechten Bild links) schmeckt beim Kurzbesuch. Sirup werden ebenfalls selbst hergestellt. Schwammerl und Beeren brocken die Csencsits´ in den Wäldern rundum, und Besuche bei umliegenden Lieferanten gehören nicht einfach bloß zum guten Ton, sondern dienen der Pflege von Freund- und Bekanntschaften.„Steigt ein", sagt Jürgen Csencsits, als das Mittagsgeschäft vorbei ist, „wir drehen eine Runde." Dann lernen wir Julia und Alexander Elpons kennen, von denen Jürgen das exzellente Lamm bezieht. Auch Taubenzüchter Gerhard Methlagl liegt auf dem Weg.Auf einem Weg, der schließlich zu Uwe Schiefer nach Welgersdorf führt, wobei sogleich augenscheinlich ist, dass sich Topwinzer und Spitzenkoch prächtig verstehen. Einer spontanen Verkostung steht jetzt nichts im Weg.„Start the day with a smile & finish it with Schiefer" („Beginne den Tag mit einem Lächeln und beende ihn mit einem Schiefer") - so steht´s geschrieben auf einer Tafel an der Wand neben dem Tisch, an dem wir mit dem Winzer sitzen.Viele Stunden später und nach dem Genuss von Fischsuppe, Salat mit Frischkäse, Lamm und Milchreis im Gasthaus Csencsits halten wir uns daran. Die anderen Gäste sind längst weg, und Jürgen hat endlich Feierabend. „Harte Arbeit ist das schon", stöhnt er. „Aber Kochen bedeutet für mich vor allem eines: die ganz große Freiheit." Und dann öffnet er einen Blaufränkisch „k" von seinem Freund Uwe.„Prost, die Herren, danke für den Besuch." - „Wir haben zu danken. Und wir kommen wieder." SÜDBURGENLANDGasthaus Csencsits7512 Harmisch 13Tel.: +43/3366/772 20csencsits.atGeöffnet: Donnerstag bis Sonntag,Küche: 11.30 bis 14 Uhr, 18 bis 20.30 Uhr,Sonntag von 11 bis 17 Uhr 30 Se