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Kurier am 04.09.2019

Rotwein schmeckt auch dem Darm

Fördernd.Forscherschreibendem Rebensafteinepositive Wirkungaufdas Mikrobiomzu. Die Studiehat PotenzialIst Rotwein gesund? Füttert man die Suchmaschine Google mit dieser Frage, spuckt sie binnen Sekunden über drei Millionen Ergebnisseaus.Das Interesse an den gesundheitsfördernden Effekten des beliebten Genussmittels ist enorm – und hat Tradition.Schon in der Antike galt Rotwein als Medizin. Hippokrates verabreichte ihn gegen Magen-Darm-Beschwerden.Im Römischen Reich wurde Rotwein täglich getrunken – gegen Krankheiten, Falten undunschöne Gedanken.Moderne Forschungen deuten auf die wünschenswerte Wirkung des abendlichen Achterls auf die Gefäße – und damit auf die Herzgesundheit–hin. Auchdas Risiko an Krebs und Demenz zu erkranken soll der vergorene Traubensaft senken, den Blutzucker regulieren und verjüngend wirken. Kanadische Forscher verkündeten vorvier Jahrensogar, dassein Glas Rotwein so gut sei, wie eine Stunde Sport.Freunddes Mikrobioms Neuestes Postulat: Rotwein istgutfürden Darm. Die These stammt von Forschern des King’s College London. Sie nahmen die Wirkung von Bier, Cider (Apfelwein), Rotwein, Weißwein und Spirituosen auf das Darm-Mikrobiom (Gesamtheit aller Mikroorganismen) von knapp 1.000 weiblichen Zwillingen aus Großbritannien, den USA und den Niederlanden unter die Lupe. Die Bakterienbesiedlung des Darms der Rotweintrinkerinnenwarim Vergleichzujenerder Nicht-Rotweintrinkerinnenvielfältiger.Aus anderen Studien weiß man wiederum: Je artenreicher die Bakterienzusammensetzung im Darm, desto gesünder der Mensch.Die Forscher stellten auch fest, dass Rotweintrinkerinnen seltener fettleibig waren und weniger häufig erhöhte Cholesterinwerte hatten.Beim Konsum anderer Alkoholika zeigte sich dieser Effektnicht.Gesunde Polyphenole Die Wissenschafter rund um Mikrobiologin und Studienleiterin Caroline Le Roy vom King’s College London machendieim Rotweinenthaltenen Pflanzenstoffe für die Wirkung verantwortlich. Tatsächlich haben sogenannte Polyphenole eine schützende Wirkungaufden Organismus und dienen Darmbakterien als Energiequelle, wie Ernährungswissenschafterin Sabine Bisovsky erklärt. „Unsere guten Darmbakterien lieben Polyphenole regelrecht“, sagt die Expertin. Sie würden das Wachstum erwünschter Keime im Darm fördern und damit die Entwicklung schädlicher Mikroorganismen hemmen. „Diese wertvollen Polyphenole kommen aber auch in Gemüse, Zitrusfrüchten, Beeren, Kaffee oder Tee vor.Man muss also nicht unbedingt Rotwein trinken, um dem Verdauungstrakt etwas Gutes zu tun. “ Wer gerne ab undzuein Glastrinkt, „istmit Rotwein wohl besser beraten alsmit Weißwein“.Erster Schritt Kurt Widhalm, Präsident des Österreichischen Akademischen Institutes für Ernährungsmedizin (ÖAIE), sieht in der Untersuchung einen „interessanten Ansatz“. „Der Polyphenolgehaltim Rotwein konnte bereits in anderen Studienmitschützenden Wirkungsweisen in Verbindung gebracht werden, etwa bei Herz- und Kreislauferkrankungen. Der Effekt auf den menschlichen Darm ist allerdings neu. “ Zu bedenken geben Bisovsky und Widhalm, dassessichbeider Erhebung um eine Beobachtungsstudie handelt. Ob der Rotweinkonsum der Frauen tatsächlich das vielfältigere Mikrobiom ihres Darms bedingt, könne nicht geklärt werden. Dass die Erkenntnisse auf (mehroder weniger ehrlichen) Selbstauskünftender Probandinnenberuhen, schränkederen Aussagekraft ebenfalls ein.Auch Studienleiterin Le Roy betont im Interview mit der BBC, dass weitere umfangreichere Untersuchungen nötig seien, um den Zusammenhang vollständig zu klären. Vorstellbarseienetwa Studien, indenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer Rotwein, roten Traubensaft beziehungsweise keinen Alkohol trinken, um die Wirkung des alkoholischen Rebensafts isoliertzuanalysieren.Trotzpotenzieller Vorteile für die Darmgesundheit mahnt Ernährungswissen-schafterin Bisovskyzur Mäßigungbeim Konsum: „Einegesundheitsförderliche Menge Wein sollte sich auf maximal einbiszwei Gläserpro Tagbeschränken. “ An zwei Tagen pro Wochesolltehintereinander gänzlich auf Alkohol verzichtet werden, „damit nicht nur der Darm, sondern auch die Lebergesundbleibt“.VON MARLENEPATSALIDISDarmschmeichler: Rotwein könnte die Vielfalt der Bakterien im Verdauungstrakt fördern