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Profil am 27.09.2020

FLEISCHAUFGABE

Schinken, Steak, Schweinsbraten: Österreichistein Landder Karnivoren.W ie könn en w ir de nimmensen H ungernach t ierischenweißreiche Pflanzegedeihtfreilich auchhierzulande prächtig. Österreichkämemit demheimischen Soja aus, wenn die Menschennurum ein Fünftelweniger Fleisch essenwürden.Die Fleisch-und Milchproduktionistfür14,5 Prozentder Treibhausgaseweltweitverantwortlich. Zum Ve c e be u sic ebe rglei h: Derglobale Verk hr lä ft h nfalls auf14Prozent. Nebenverschwundenen Wäldernheiz n u Lac s n d de w n.e a ch hga u d Methan ie Er r ärmung a Letzteres entsteht, wenn Wiederkäuerverdauenund w enn die Bauern die Gülleauf den Feldern ausbringen.Heuer vermeldeten Klimaforscher einen weltweiten Methan-Rekord: Er geht vor allem auf den enormen A t d r i z i A n A a n O n n i e V e u n s, f u d z i s e h c i rik ea e g ht e n zurück; in Europaundden USAstagnierteder Methanausstoß zuletzt auf hohem Niveau. Zwar hat das Gas e v f h r T b s n as o n in i ac öh e r h w g l K hle l h e i u rku e e e a i dioxid, eswirdaberin der Atmosphäreschneller abgebaut – ein Schrumpfen der Fleischproduktion würde also in der Klimabilanz sehr schnell Wirkung zeigen.Lachgas wiederum entsteht beim Verteilen von Stickstoffdünger auf den Feldern und befeuert den Treibhauseffekt300 Malsostarkwie CO.Wieviel Treibhausgasesteckennunin einem Kilo Rindfleisch? Knapp20 Kilo CO-Äquivalent(zur Ver-einfachungwerden Methanund Lachgasin CO um-gerechnet). Nur Schaffleischistmitfast24 Kilonoch k s h i e E f e T u n k p s s lima c ädl ch r. s olg n r thah ( na p ech Kilo), Schwein(fünf Kilo)und Huhn(vier Kilo). Fisch fälltmit3,5 Kiloweitauswenigerins Gewicht. Getreide, Obst und Gemüsesind dagegen echte Leichtgewichte: Ein Kilo Weizenkostet das Klimalediglich0,4 Kilo an Treibhausgasen, Äpfel 0,2 und Kartoffeln 0,1 (siehe Grafik Seite85).Allein durch Essenverbraucht ein Durchschnittsösterreicher1257 Kilo CO pro Jahr. Nadine Wolbarth i i r a a e a d U r t f B at n hre M ster rb it n er nive si ät ür odenkultur (BOKU) berechnet, dass vegetarische Ernährung mit 849 Kilo, veganegar nur mit 366 Kilo C z B e c l w d V e e s e a O u uch s h agen ür e. eg tari r par n lsoim Vergleich zum Fleischesser 32 Prozent, Veganer 71 Prozent an Emissionen.Könnte eine CO-Steuer helfen, den Fleischkon-sumzureduzieren? Das Gros der Ökonomenistsich darüber einig. 3500 Wirtschaftswissenschafter weltweit, darunter 27 Nobelpreisträger, unterzeichneten i V a e A r z E ü u e Cm orj hr inen uf uf ur inf hr ng iner OS e. a K n t s s m : e e U e h, t uer D s o zep i t i pel J d s nt rne men d E s e v u a t m b e D S t as mis ion n er rs ch, uss ezahl n. er taa oder die EUlegen einen Preispro Tonne CO fest; zumB s e 1 E r w ö e i i h K f c ei pi l 00 u o, ie st rre ch sc e limaors herseit Langemfordern. Fleischproduzentenwürden die Kosten an die Kunden weitergeben. Fleisch würde teurer– ein durchaus erwünschter Effekt.Ansätzein Richtung CO 2 -Steuergibt es bereits: Etwaden EU-Emissionshandel, in dessen Rahmensich Großunternehmen Rechtekaufenmüssen, um Treibh ausgas eau ss t oßen zu d ürfe n. D ie Landw ir tsch a f t ist davon – ungerechtfertigterweise, wie Experten mein en – a u sgenomme n. E ine w e i tere klim as c hon e nde Maßnahme wären Klimazölle für weit gereiste Lebensmittel. Zumindestdafürsprichtsich Agrarministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) im profil-Interview erstmals aus(sieherechts).Aber was müsste Fleisch tatsächlich kosten, um Klima- und Umweltfolgen zu kompensieren? Noch ist die Datenlagerecht dünn. Einen erstenwichtigen Anhaltspunkt haben Wissenschafter der Uni Augsburgvorgelegt. Siehaben Umweltfolgekosten ermittelt, diein der Lebensmittelproduktion anfallen. „Wir haben die Preissetzung nicht aus einer moralischethischen, sondern aus einer rein ökonomischen Perspektive betrachtet“, sagt Wirtschaftswissenschafter Tobias Gaugler. Aktuell kämen weder die Landwirtschaftnoch die Konsumentenfür die Folges c h ä de n a u f : „ S t a t t d e s s e n f a l l e n s i e d e r A ll ge m e i nhei t undkünftigen Generationen zur Last“, so der Ökonom. Ausgehend von dem Verursacherprinzip der V ere i nten N ati o nen u nd d en E r g eb n isse n d e r A ugsburger Studiemüssten–wenigüberraschend–insbesondere Produkte aus derkonventionellen Nutztierhaltung deutlichmehrkosten, als dies aktuell der Fall ist. Daslässtsichdurchdieenergieintensive Aufzucht der Tiere erklären: Esfängt an bei den Futtermitteln, die angebaut und gedüngt werden müssen. Dazu kommen die Flächen, die dafür benötigt werden.Auch die Beheizung und Belüftung der Ställesowie d er S to f f w ec h sel d e r T i ere s ind w ich t ig e F a kt o ren.Der Preis von konventionell erzeugtem Fleisch müsstedemnachfastdreimalhöhersein, alseresderz eit i st ( ko n kr e t, e in P re i sa u fs c hl a g v on 1 73 P rozen t ).Zum Vergleich: Ein Apfel aus biologischem Anbau käme auf einen Preisaufschlag von lediglich sechs Prozent. Umgelegt auf Österreich: Ein Schweinss ch n itz e l v on 1 80 G ram m k o stet i n d e n h e imi s ch e n Supermärkten derzeit1,58 Euro–wenn diegenannten Folgekosteneingepreistwären, müsstemandafür 4,3 1 E u r o b e ra p pen.„ A us v olksw i rtsc h aftli c he r S i ch t h and e lt e s s ich h ier u m e ine e rheb l iche P re i su nd M ar k tv e rzer r ung.D as i s t e i n M a r ktv e rsa g en, d em wirtschaftspolitisch begegnet werden muss“, sagt G au g ler.E r f o rd e rt, d i e L an d wi r ts c ha f t i n d en E U-Emissionshandelzuinkludieren.I n se in e n Ber e chnu ng en si nd j e do c h no ch l ä n gs t nichtalleversteckten Kostenenthalten: „Wichtigwäre, auch diegesundheitlichen Folgen durch Fleischüberkonsum und Fehlernährung, den Antibiotika-Einsatzinder Tierzuchtsowiedie Nutzungvon Pestiziden einzubeziehen“, so der Wissenschafter. Auch die sozialen Folgeschäden durch die teilweise ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse in der fleischverarbeitenden Industrie, die kürzlich publik wurden, d ie m assive Sub v en t ionie r ung de r La ndw irt schaf t oderdie Berücksichtigungdes Tierwohlshabeninder Studiekeinen Einganggefunden. Würdemanalldies einka lku li e r e n, wür den sic h d i e Pr e is e noc h e inma l vervielfachen.Aberwürdensich dannnichtnurmehr Wohlhabendeden Fleischgenussleistenkönnen? „Den Konsumentenistnichtgedient, wennmanihnenkiloweise Billigfleischvorsetzt“, entgegnet Gaugler.Wer täglich Fleisch isst, stirbt mit großer Wahrscheinlichkeit früher. Im Schnitt verzehrt ein Österreicherpro Woche1,25 Kilo Fleisch– dasistfünf Mal mehr, als die WHO empfiehlt. Die Folgen sindfatal: Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes, Skeletterkrankungen, erhöhte Entzündungswerte, Darmkrebs. „Mankannden Menschennurraten, sich grundsätzlich vegetarisch zu ernähren und ein bis zwei Mal pro Woche Fleisch zu essen. Der Vorteil einer solchen Ernährung ist eindeutig nachgewies en“, s a gt E rnä h ru n gsme d iz i ner K urt W idhalm ( si e he Interview Seite84).Müssenwirnun alle Vegetarierodergar Veganer w erd e n?N atü r lich n ic h t.„ Es w ürde s cho n r e ic h en, unseren Fleischkonsum zu halbieren“, sagt Isabelle Weindl vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. In Industriestaatenmachen Fleischundanderetierische Produkte derzeit etwa30 Prozent der Nahrung aus. Würden wir diesen Anteil auf 15 Prozentzurückfahren, könntenwirdiebis2050prognostizierten, durch Landnutzungsänderungen entstandenen CO 2 -Emissionenum biszu78Prozentsenken.Das haben Weindls Modellrechnungen ergeben.Auch der Weltklimarat fordert in regelmäßigen Abständeneine Kehrtwendebeim Fleischkonsum.D ie g l ü ck li c h en S chw e ine i m g o l d g e l be n S t r o h, wiesiedie Werbungim Fernsehensuggeriert, gibt es n ic h t.N ur d re i P r oze n t d er M a s tsc h weine s t e hen i n biologisch bewirtschafteten Ställen mit mehr Ausl au f.D e r G r oß t e i l v on Ö st e rr e ic h s S chw e inen s te h t a uf S pa l ten b öd e n, m it e inem Q uadr a tmete r P l atz p roHelmut Haberl, Boku100-Kilo-Tier. Ein Fünftel der Schlachttiere weist Lungenerkrankungen auf, Gelenksentzündungen, Verletzungen und Spulwürmer sind ebenfalls eine gängige Folgedes Lebens auf Beton.Effizienzgehtinder Fleischproduktionimmermit Tierleid einher. Hinter dem Wort Futtereffizienz s tec k t e inebesondersperfide Übe rl eg u ng: Minimier t mandie Bewegungsfreiheitfürdas Tier, verbrauchtes u m z ehn b is 20 P roze n tweniger F utter. Wer a lso e in Brathendlumvier Eurokauft, mussdavonausgehen, dass essein40-tägiges Leben auf einer A4-Blatt-großen Flächegefristethat. „Mastoptimierte“Hühnerrassen sind so gezüchtet, dass ihr Fleisch schneller wächst als ihr Skelett. Ein Biobauer könnte solche Hühnergarnichthalten, weilersieerstnach46Tagen schlachten darf. Bis dahinwären den Hühnchen alle Knochenim Leibgeborsten.Wiewenig das AMA-Gütesiegeltaugt, zeigtekürzlich eine Entdeckung des Vereinsgegen Tierfabriken (VGT). Verdreckt, mit abgebissenen Ohren und Schwänzen, die Restetoter Artgenossenzu Füßen: So fandendie Tierschützerim Junieinen Zulieferbetrieb des Schinkenherstellers Berger vor, der das österreichische Gütesiegel besitzt. Der Betriebhättezwar ein ig e V e r be s s e r u n g e n v o r n e h m e n m ü ss e n, w e n n AMA-Kontrolleure die Tiere dermaßen zugerichtet vorgefundenhätten, aberdas Siegelwärenichtin Gef ah r g e w e sen, g ab A MA-Ge s c h äftsf ü h r er M i c hae l Blassim„Falter“zu.Die Konsumentenwollen Fleischumwenig Geld, heißtesoftausder Industrie. Aberwürdensieesauch wollen, wennihnennichtpermanentglückliche Tiere auf romantischen Bauernhöfen vorgegaukelt würd en? Wohlehernicht. Drei Viertelder Österreicher würdenfür Fleischmehrbezahlen, wennesden Tieren währendihres Lebens besser ergangenwäre, wie eine von Greenpeacein Auftrag gegebene Umfrage ergab.Zwischenzehnund50Prozenthöhere Summenwären die Österreichertheoretisch bereit, auszugeben. Dasist ein Anfang, wirdallerdingsnichtreichen.Den Konsumenten müsse endlich klar vor Augen geführt werden, was ihnen da aufgetischt werde, sagt Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), der auchfür den Tierschutzzuständigist. Erwünschesich mehr Transparenz, damit Konsumenten entscheiden k ön n en, w e l ch e F o rm d er T ier h al t ung s ie u nterst ü tz e n.„Beijedem Einkauf, beijedem Kantinen-oder Restaurantbesuch. “ Anschober will bereits bis Ende Septemb er e inen P lan d afü r v o rl e ge n.„ Bi s her b eha r rt d ie L andw irts c ha f ts m in i st e rin n och a uf e iner r e i n e n H e r kun f t skennzeichnung. Füreinetransparente Kennzeichnung werden wir noch etwas Überzeugungsarbeit benötig en, a be rich a rbe i te in te nsi v da ra n“, so der M inis t e r.G eg e nü b er p rofi l k ü nd i g t e r n u n e rst m al s d a s E ndefür Spaltenböden in der Schweinemast an: „Aus T iersch utzs i ch t i s t ein Ve rb ot v on V ol lsp a lte nbö de n si c h e r lic h no t w e n d i g. “ Ma n m ü ss e de n T i ere n d i e Möglichkeit bieten, Kot- und Liegeplatz zu trennen.Außerdem werde die Gabevon Knabberfutter und Bes c hä f t igu ng sma t e rial a u f bef e st ig t e n B ö de n e i nfacher, dadas Güllesystemnichtbelastetwerde. „Meine Positionistklar, undfür diesekämpfeichin den Verhandlungenmitder Landwirtschaftsministerin“, verspricht Anschober. Das Gesundheitsministerium arbeitebereits an einer Gesetzesnovelle.Aber nicht nur die Tiereleiden in der Fleischindustrie, auchfürdie Menschenistsieeineenorme Belastung. Esist Schwerstarbeit, Rinderhälftenzuzersägen, Schultern, Haxenund Knochenauszulösen. Man s ch w itztu n datme t h e ft igdabe i.A n de n F li e ßbände rn einer Schlachtfabrik zu stehen, begünstigt die Ausb r e itu ng de s C oronavir u simme ns, w ie Forsch e r de s Helmholtz-Zentrums in Braunschweig aufzeigten.Sierekonstruierten den ersten Ausbruchimvergangenen Mai in der Gütersloher Fleischfabrik Tönnies.Das alarmierende Ergebnis: Virusgeschwängerte Aerosolehatten biszu acht Meterzurückgelegt. Dieauf zehn Gradgekühlte Luft, ständigumgewälztinfilterlosen Klimaanlagen, hatte eine toxische Wolke erzeugt. Eingeschleppthattedas Virus ein einziger Mita rbe i ter. „Dami t ist e in S upe rspr eader für de n A usbruch bei Tönnies gefunden“, sagte Studienautor Adam Grundhoffim Norddeutschen Rundfunk.Schuldwaren nicht allein die Zerlegehallen, sondern auch die Massenunterkünfte, in denen viele Arbeiter aus Osteuropahausen müssen. In den folgenden Wochenwarein Clustermitmehrals2000Inf i z i e r t e n e n t s t a n d e n, g a n z e L a n d s t r i c h e s t a n d e n unter Quarantäne. Fleischbetrieberundum den Globus verzeichneten ähnlich verheerende Ausbrüche.A uch i n Ö ster r ei c h f orm t en s ic h k l ein e re C l u ste r.Zwar zählt Österreich zu den Ländern mit den schärfsten Anti-Sozialdumping-Bestimmungen in Europa. Trotzdem sei die Fleisch- und Wursterzeugung eine Problemzone, sagte Erwin Kinslechner, Branchensekretär Nahrungder Pro-Ge(Produktionsgewerkschaft), im Juniimprofil-Gespräch. Inden Betriebenseienfastnurangelernte Hilfskräfteam Werk, vieledavon Leiharbeiter, Wochenpendlerund Grenzg änger.„ Ic h m a che a l l es – a u ßer F l e isc h “, b ekomme n Angestelltedes Arbeitsmarktservice(AMS)oftzuhören(sieheprofil27/2020).„Das Schnitzel darf nicht zum Luxus werden! “, warnte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagnerim Nationalratswahlkampf. Sie ist nur eine von vielen, die glauben, sich mit derartigen Aussagen an die breite Masse anbiedern zu müssen. Eine solche Haltung gehtfreilichnurauf Kostenvon Mensch, Tierund Klima. Wie aber kann man die Österreicher dazu bringen, weniger Fleischzu essen? Mitteurerem Fleisch a ll e in i st e s n ich t g e tan, s a g t H e lmut H abe r l v om I ns t it ut f ür S ozi a l e Ö k olog i e d er U nive r si t ät f ür B od e nkultur(BOKU). Man dürfe den Menschennichtmit der M o r alkeu l e k o m men, s o nde r n m ü s se i hnen A lter n a-tiven aufzeigen. Schmackhaftes vegetarisches Essen im Kindergarten, in Schulen, in Betriebskantinen und Krankenhäusern wäre ein guter Anfang. „Die tägliche Erfahrung, dass es auchlustvollefleischlose Speisen gibt, ist eher Erfolg versprechend als ein schlechtes Gewissen“, sagt der Ökologe. Man müsse d ie Mens c he n zumklima fre un d lic h en, g esu n den Le ben „verführen“. Damit dies gelingt, müsstefreilich a uch d ie Aus b ildu ng der K ö ch e n ach zi e hen. T o tgekochtes Beilagengemüseoder Tiefkühlkost, worauf Vegetarierim Wirtshausoftangewiesensind, können nicht die Lösungsein. Ähnlichsieht das Thomas Neuburger mit seinem Fleischersatz aus Pilzen: „Nicht Verzicht soll im Vordergrundstehen, sondern eine Erweiterung der Nahrungspalette. “ Dass essonichtweitergehenkann, dämmertlang- sam auch dem Handel. Als Unternehmen in einem wettbewerbsintensiven Marktseimanohne Zweifel Teil des Problems, heißt es etwa aus der Rewe-Gruppe. Deshalbhatmannunin Berlin einen Versuchgestartet. In einem neu eröffneten Penny-Markt werden gleich zwei Preise ausgeschildert. Der Verkaufspr e isso wiede r„w ahre Preis“–n ä mlichje n er, den de r Augsburger Ökonom Tobias Gauglerundsein Team e rrec hn et h abe n. Man w oll edi e Folg ekoste n des K onsumssichtbarmachen, nursokönneder Kundeeine bewusste Kaufentscheidungtreffen, so Rewe. Dasist immerhin ein Anfang.æNichtimmermüssen Wildtiereausweitentfernten Länderndie Quellefür Zoonosensein. Auchin Europas Ställenlauern Viren. Mehrdarüberindernächsten Ausgabe.FLEISCHAAUFGABE78 profil40•27. September2020AUFGABEFleischistvielzubillig, die Kostenfürdie Gesellschaftunddas Klimasindenorm.P rodukten d rosseln?U nd w assollteein Sc hnitzel t atsächlichkosten?Schlussmitden S chleuderpreisen: Fleischmussumein Vielfachesteurer werden.V F D C HNach 50 Jahren im Fleischgeschäft hat Leberkäse-Produzent Hermann Neuburger die Nase voll.„Die Tierhaltung hat sich massiv v erschlech t er t.Da s stört mi ch schonlange“, sagt der Metzger aus Obe rös t erreic h. Desh a l b be g ab sich Neuburgermitseinem Sohn Thomasaufeinekulinarische Weltreise. Die Mission: Pflanzenzufinden, die dem geschulten österreichischen Gaumen das Fleischersetzenkönnten. Taiwan, China, Japan, Thailand: Drei Rohstoffe brachten Vater und Sohn aus Asienheimins Mühlviertel. Sieexperimentiertenmit Saitan aus Weizengluten, Tofuhaut aus Sojaundmit Pilzen. An diegallertartige Konsistenzvon Tofuseien Europäer schwer zu gewöhnen, sagt Neuburger.Kräuterseitlinge brachten schließlich „den richtigen Biss, das perfekte Mundgefühl“. 2016 brachten die Neuburgers die ersten Pilz-Würstel auf den Markt.Die Nachfrageüberraschte die beiden: Heute beliefern sie 4000 Supermärkte in Österreich und Deutschlandmit Schnitzel, Faschiertem, Bratstreifen, R os t b r a t wü rst c h e n u n d K ä s eb r a tw u r s t.L e be r k ä s e aus echtem Fleisch wird es weiterhin geben, aber nichtmehrim Fokusstehen. „Wirsetzen alles auf die P il z ka r te “, s ag t T h oma s N e u b urg e r.Trotzdem: Die Österreichersind Fleischesser.62Kilo vertilgensielaut Statistik Austriapro Jahr, dastägliche Schnitzelist ein Heiligtum. Doch Fleisch, vor allem Billigfleisch, ist in Verruf geraten. Die Klimabilanz eines Rinderbratens ist verheerend, die Folgen für die Gesundheit ebenso. Wertäglich Fleischisst, stirbtfrüher.Tiereleidenin Massenställenundbeiquälenden Transporten. Der Verzehr von Wildtierfleisch in Chinahat uns eine Pandemie ungeahnten Ausmaßes beschert.Schlachthöfe wurden in der Corona-Krise zu Virenschleudernmit Tausenden Infizierten. Wiekönnenwir denimmensen Hungernach Fleisch drosseln? Wieviel Fleischistgesund? Wieviel Viehzuchtverträgt das Klima? Undwassollteein Schnitzeltatsächlichkosten?Fleischist ein Klimakiller. Mitjedem Schnitzel auf d em T el l er l a n de n T r ei b hau s gase i n d er A t m osph ä re.Auf mehr als 70 Prozent der Agrarflächen weltweit wird ausschließlich Tierfutter angebaut. Die Wälder, d ie W eiden u nd F eld e rn w eic h en m ü s sen, f e hl e n d an n a l s C O 2-Spe i ch e r.A u c h Ö ste r re i ch i st h ier k ei n e A us n ah m e: M eh r a l s d ie H älft e d e s i n h ei m isc h en Ställenverfütterten Sojasstammtaus Übersee–jeein D ri t tel a us B r a sil i en, A r g enti n ien u nd d en U SA.D ie e i-UNWÜRDIGE ZUSTÄNDEFÜR MENSCHUND TIER Zerlegehalle (oben), Zulieferbetriebfür Berger Schinkenin NiederösterreichON RANZISKA ZUGANUND HRISTINA IPTMAYR80 profil40•27. September202040,722222222FLEISCHKONSUMINÖSTERREICH Ambeliebtestenistungebrochen36, 4Schweinefleisch.Fleischkonsum in Österreich in Kilogramm pro Kopf (ohne Lamm, Wild u. a. )1 1,92019 1995 2019Schwein Rind/KalbWAHREPREISE Sovielmehrmüssten Lebensmittelmit Rücksicht aufdas Klimakosten.+173%+122% +126%9,112,41995 2019Geflügel200%150%EnergieTreibhausgase Stickstoff 100%+69%ONVENTIONELLEANDWIRTSCHAFTTierisch MilchKOMPLEXENAHRUNGSMITTELPRODUKTION Beiwelchen Prozessenwelche Umweltschädenentstehen.Landnutzungsänderungen Treibhausgas-Emissionen StickstoffVorproduktion Hof-Phase T r a nsportTransportAufzucht, Bewässerung, Infrastrukturund Maschinerie, Düngung, FeldbearbeitungFuttermittelerzeugung (Düngemittel, Saatgut, etc. )50%+13%Pflanzlich +6%EnergieverbrauchFleischv er a rbeitung„Esgibt Überlegungen, Klimazöllezu verlangen“Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP)über den Hang der Österreicherzu Billigfleisch, das Problem der artgerechten Tierhaltung unddie Pläneder Regierungfür CO 2 -Abgaben.„Zuangemessenen P reisen macht jeder Bauer Stroh- schwein- produktion. “p rofil: Die Österreicheressensehrviel Fleisch. Dasistwederfürdie Gesundheitnochfürdas Klimagut. Wiekönnt e m an d as ä ndern?Köstinger: Dasbewusste Essenistimmer der Schlüssel. Inunserer Konsumgesells chaft h aben v iele M enschen d as B ewusstseindafürverloren, wieviele Ressourcen esbraucht, umlandwirtschaftliche Produktezuproduzieren.p rofil: 7 0 P rozent d er Ö sterreicher w ünschensichverpflichtende Informationen überdie Nachhaltigkeiteines Produkts aufdem Etikett. Istsoetwasgeplant?Köstinger: Wirhabenim Regierungsprog ramm e ine v erpflichtende H erkunftsb ezeichnung v ereinbart.D er K onsument s oll s owohl b ei v erarbeiteten P rodukten a ls a uch i n d er G emeinschaftsverpflegung in Kantinenraschundeinfacherkennen, inwelchem Landdas Fleisch, die Eieroderaufeuropäischer Ebene. Unsere Artder La is kl a ndwirtschaft t imaschonender s l beispielsweisejenein Brasilien. Trotzdem gibtesinunseren Supermärktenund Restaurantsbrasilianisches Rindfleisch, dasbilligeristalsheimisches. Dasmuss d m K v urch ehr ostenwahrheit erhindert werden.profil: Bismansich EU-weitaufeinen Mindestpreiseinigt, kannesnochdauern.Mankönntedas Problemauchnational lösen, indemman Klimazölleeinführt.Köstinger: Fürweitgereiste Lebensmittel g e b Ü i F ibt s ereits berlegungen m inanzministerium, Klimazöllezuverlangen.Die Umsetzungistabereuroparechtlich nichteinfach.profil: Schlachthöfehabensichals Corona-Hotspotserwiesen–auchin Österreich.Die Arbeitsbedingungendortsindoft a S d P d usbeuterisch. ollte ie olitik aran etwasändern?Köstinger: Die Sozialstandardssindinder österreichischen Fleischindustrieumein Vielfacheshöheralsinanderen Ländern undnichtvergleichbar. Von Zuständen wiebei Tönniesin Deutschlandsindwir weitentfernt.profil: Trotzdemwarenauchin Ober-und Niederösterreich Betriebebetroffen. Bei Tönniesverbreitetesichdas Virusvor allemüberungefilterte Klimaanlagen.Wardasauchin Österreichder Fall?Köstinger: Nein, aber Schlachthöfesind aufgrundihrerklimatischen Bedingungen natürlichanfälliger. Indenkonkreten F g d A v p ällen ing ie nsteckung om ersönlichen Kontaktinden Familienaus.profil: Zuwelchem Fleischgreifen Sieim Supermarkt?Köstinger: Ichkaufedirektbeim Bauern meines Vertrauens. Ichbineingroßer Fandes Nose-to-Tail-Prinzips, alsoder V d g T D erwertung es esamten ieres. eshalb k i F i P u h aufe ch leisch n aketen nd abe i w a V mmer elches uf orrat.I : F Ddie Milchproduziertwurdentreffen. Washalten Siedavon?Köstinger: Ichbinseit Jahreneine Verfechterineines CO-Mindestpreises–allerdings2NTERVIEW RANZISKA ZUGANp r ofil: S timmt e s, d ass M enschen, d ie täglich Fleischessen, frühersterben?Widhalm: Ja. Eine Vielzahlvon Studienzeigt, dass Menschen, dieviel Fleisch essen, häufigeranschweren Erkrankungenleiden.profil: Wieviele Lebensjahrekostettägl icher F leischkonsum?Widhalm: Dasistschwerzubeziffern.Forscherdermedizinischen Universität Karolinska Institutetin Stockholmbeobachtetenden Fleischkonsumvon k napp 7 5.000 M enschen ü ber 1 6 J ahre hinweg. Am Endestelltesichheraus, dassdie Sterberateinder Gruppemit demhöchsten Fleischkonsum(über117 Grammpro Tag)um21Prozenthöher lagalsbeider Gruppemitdemniedrigst en F leischkonsum ( unter 4 6 G ramm p ro T ag).D as h eißt: Z wei W urstsemmeln o der e in S chnitzel a m T ag v erringern die Lebenserwartungstatistischgesehen de utlich. pro fil: Wa srichtetzuviel F leischim K örperan?W i d h alm: Ge n a u w is s en w ir da s ni c h t.Sicherist, dassin Fleischvielgesättigte Fe tte v orkommen, die si chschlecht a uf Blutfetteauswirken. Daskannzursogenannten„stillen Entzündung“führen, d ie i n d er W issenschaft d erzeit h eiß d iskutiertwird. Dassindhohe Entzündungswerteim Körper, dienichtsmit Infektionenzutunhaben. Sieentstehenbei e iner F ettleber, b ei s chlecht b ehandelter Diabetes, bei Bewegungsmangelund beieinerzufleischlastigen Ernährung.Die Folgesind Herzinfarkteoder Schlaganfälle. Fleischbegünstigtzudem Bluthochdruckund Skeletterkrankungen.profil: Die WHOwarntdavor, dass Fleisch krebserregendsei. Stimmtdas?W idhalm: Be i Da rmkrebsgibt e sklare Hinweisedarauf. Etwasschwächersind d i e Da t en be i B r u stkrebs o d e r Le u kämie.Abernatürlichspieltauchdie Genetik eine Rolle. Nichtjeder, dertäglich Fleisch isst, entwickeltein Karzinom.profil: Werdenwirirgendwannsoüber F leisch de nken w ie h eute ü bers Ra uchen, nämlichals Gesundheitsrisiko?Widhalm: Solche Gedankensollteman durchausin Erwägungziehen. Die Fleischindustriehateinegroße Lobby hintersich. Die AMAgibt Millionen Euro ausfürdie Vermarktungihrer Produkte, s teckt abe rkein Ge ld ind ie Forschung.Lebensmittelproduzentensindsichihrer Verantwortungnichtbewusst. Vorallem die Fleischindustriemüsstehiermehr i n d ie P flicht g enommen w erden.profil: Wieviel Fleischund Wurstpro Wochesindgesund?W idhalm: D ie G renze w urde i mmer w ieder nachuntenrevidiert, derzeitliegtsie bei35Grammrotem Fleischpro Tag.Dasistwenig. Mankannden Menschen n ur r aten, s ich g rundsätzlich v egetarisch zuernährenundeinbiszwei Malpro Woche Fleischzuessen. Sowiedasfrüher der Fallwar. Der Vorteileinersolchen Ernährungisteindeutignachgewiesen.profil: Manversuchtimmerwieder, sich a n Lä ndern zuori entieren, inde nen v iele M enschen g esund a ltern.I st d ie M itt elmeer-Diät i mmer n och z u e mpfehlen?Widhalm: Daskommtdaraufan. Vor20 Jahrenwarendie Menschenin Kreta„Die Sterberateistbei Fleischessernhöher“Ernährungsmediziner Kurt Widhalmüberdie Lebensjahre, diedas tägliche Schnitzelkostenkann, die Vorteilevon Vegetariernundwie viel Fleischpro Wochegesundist.Kurt Widhalm,73, ist Präsidentdes Akademischen Institutsfür Ernährungsmedizinin Wiensowie Präsidentder European Associationfor Researchon Obesityin Childhood.„Zwei Wurstsemmeln am Tagverr ingern d ie Lebenserwartung d eutlich. “84 profil40•27. September202023,75 19,59 12,12 8,55 6,61 56, 4 5,33 3,65 3,49 3,05 2,41 1,46 1,43 1,39 1,31 0,41 0,35 0,19 0,13Kartoffelnberühmtfürihre Langlebigkeit. Heute h s d h R b Ü aben ie ie öchste ate ei bergewicht, Bluthochdruckund Herz-Kreisl S h ih E a i a r uf-Erkrankungen. e ben renährungvölligumgestelltundessen heutewestlich-amerikanischmitvielen tierischen Produkten.profil: Wiekannman Fleischtigernden U a m G s ms u e e c tieg üse ackhaft f hr m hm machen?Widhalm: Hierspielen Kochkunstund Psychologieeinegroße Rolle. Mit Appellenandie Vernunftalleinfunktioniert esmeistensnicht. Neugierdehilft. Einmal ineinvegetarisches Restaurantgehen, Rezepteausprobieren. Esgibtdas Bonmot, wonach Gewohnheitenzuändernschwierigersei, alsdie Religionzuwechseln.Kindersolltendemzufolgefrühlernen, dassauch Gemüsegutschmeckt.profil: Kannmanzuhohen Fleischkonsum mitmehr Obstund Gemüseausgleichen?W idhalm: N d i e I ein, as st in rrglaube.profil: Leben Vegetariergesünder?Widhalm: Ja. Siehabeneindeutlichgeringeres Risiko, Herz-Kreislauf-Erkrankungenoder Diabeteszuentwickeln.Esgibtauch Hinweisedarauf, dassältere Vegetarierbessere Gedächtnisleistungen aufweisenals Fleischesser.profil: Können Vegetarier Mängelentw ickeln?Widhalm: Im Allgemeinennicht, sienehmendurch Milchund Eierallenötigen Vitamineund Spurenelementeauf. Bei Veganernistdasanders. Sieentwickeln häufig Mängelvon Zink, Eisenoder Vitamin B12. Veganersolltenregelmäßig i B k l I hre lutwerte ontrollieren assen. ch habeviele Veganerinmeiner Praxis, diemit Nahrungsergänzungsmitteln s g l G o a ehr ut eben. anz hne uszukommen, istsehrschwierig.profil: Ist In-vitro-Fleischgesünderals herkömmliches Fleisch?W idhalm: D i s z s N as st chwer u agen. och wird In-vitro-Fleischmitgetötetentierischen Embryonenhergestellt, was ethischsehrfraglichist. Ichpräferiere echtes Fleischausguter Tierhaltung.p rofil: W h S v F as alten ie on leischersatz a S o P us oja der ilzen?W idhalm: V S l h iel. oja iefert ochwertiges E d h d C iweiß, as ilft, en holesterinspiegel zusenken.I : F DNTERVIEW RANZISKA ZUGANKLIMAKILLER Fleischverursachtim Vergleichzu Pflanzen große Mengen CO 2.Emmissionswerte prokg Produkt Abgabeninkg CO 2 -eqSchaf/Ziege R a ind/K lb Butter Käse R ahm Truthühner Schwein Hühner Fisch Eier Reis Paradeiser Zucker Kuhmilch Gurken Weizen Sojabohnen Ä pfel Zwiebel0,10Quelle: Wolbart/Haberl, BOKU„Folgeschäden fallender Allgemeinheit zur Last. “Tobias Gaugler, Uni Augsburg„ Den Me nschennicht mitder Moralkeule kommen. “86 profil40•27. September2020„ A u s Klimasicht müsste manden F leischkonsum halbieren. “Isabelle Weindl, Potsdam-Institut