Milch in der umweltfreundlichen Mehrwegflasche kommt auch bei Umweltschützern gut an.D ass d ie F lasche n icht b raun u nd d er I nhalt k e i ne F r i schmilch i s t, g e f ällt h ing e g e n K ritik e rn w e n ig e r g u t.V on einem regelrech ten Ans t urm a u f Mil ch in der Mehrwegflasche berichtet der Handelsriese Spar. 25.000 Flaschen seien am ersten Tag weggeg an gen.Die K u n de n wü n sc hen, wir liefern, lautet die Botschaft.B illa und Rewe stellten – w ie berichtet – Anfang März ihre Biomilch v on Ein w e g- a u f Mehr w egglas um. Im Herbst 2020 sollen die Joghurts im Mehrwegglas folgen.Die Milch wird bei der größten heimischen Molkerei, Berglandmi lch, ab gef üllt.A u ch Sc härdinger Berghofmilch und Tirol Milch fi nden in As chbach-Markt in Ni ederösterreich den Weg ins Mehrwegglas. Rund zwölfmal soll eine Flasche wiederverwendet werden. Im Supermarkt fällt dafür ein Pfand von 22 Cent an. Gut für den Umweltschutz, wie Experten finden, sei dieses Gebinde doch das umweltfreundlichste von allen.Dennoch finden Kritiker so manches Haar in der Milch. Der Umstand etwa, dass die neue Glasflasche durchsichtig ist und nicht braun wie ihre Vorgängerin in den guten alten Zeiten, stößt so manchem sauer auf. Die Konsumenten wollten das so, hätte das Argument gelautet, sagt dazu die Ernährungswissenschafterin Nina Si egenthaler v o m Ve rein f ü r Ko nsumenteninformation (VKI). Kleiner Rückblick: Als es noch keine Kartonverpackungen gab, füllte jede Molkerei ihre Trinkmilch in eine dunkelbraune Glasflasche, die den Inhalt schützte. Die Flaschen konnten, weil genormtes Gebinde, in jedem Geschäft zurückgegeben werden. Letzteres ist auch jetzt zumindest in Ansätzen gelungen. Die „Ja! Natürlich“-Flasche nimmt auch Spar zurück, der Automat bei Billa schluckt auch die „Natur pur“-Flasche von Spar.Und warum ist das Glas nicht braun? Verbraucher würden einfach gerne sehen, was in der Flasche drinnen ist, heißt es beim Milchverarbeiter Berglandmilch auf Anfrage. Ein Argument, das gerade bei Milch, deren Aussehen wohl jedem vertraut ist, allerdings etwas fadenscheinig klingt. Gewichtiger dürfte der Vorteil für den Handel sein, der in der deutlich längeren Haltbarkeit liegt. Ein Argument, das auch bei VKI-Expertin Siegentaler nicht auf taube Ohren stößt. Alles, was gegen Lebensmittelverschwendung unternommen würde, sei gutzuheißen.Auch wenn die braune Flasche tatsächlich Schutz vor Licht biete, die Zeit, die eine Milchflasche im Handel im Regal verbringe, sei so kurz, dass das nicht ins Gewicht falle, führt man auch bei Berglandmilch ins Treffen: Der Konsument würde sie dann ohnehin im d u nklen K ü hlschrank v e rstauen.Siegenthaler findet trotzdem, dass jetzt mit der Einführung der farblosen Mehrwegglasflasche auch eine Chance vertan wurde, denn so schnell stelle sich der Konsument nicht mehr um. Bei Befragungen hätte man den Konsumenten wohl die Information vorenthalten, dass die braune Flasche auch Lichtschutz biete.Doch noch etwas anderes stößt so manchem Kritiker sauer auf.Wer sich aus den neuen Milchflaschen ein Glas einschenkt, stellt es vielleicht fest: Die Milch riecht und schmeckt anders als Frischmilch. Tatsächlich enthalten die Flaschen aus den Kühlregalen der Handelsketten nämlich keine Frischmilch, sondern die sogen annte E SL-Milch ( E xtended S h e lf Life), also eine länger haltbare M ilch, d ie l aut K ennzeich n unghocherhitzt wurde. Blindverkostu ngen bei Kons umenten hä tten gezeigt, dass diese den Unterschied kaum merken würden, sag t VKI-E x p e r tin Siege n t h a ler.Der Bad Ischler Landwirt Hannes Mathes sieht das anders: Erhitzte Milch w eise einde u t ig einen anderen Geschmack auf, „manche meiner Kollegen bezeichnen sie daher auch als „weißes Wasser“.Ko nsumenten wü rden de n Un terschied zumindest zur Milch aus der Direktvermarktung wohl erkennen.Gut möglich, dass dies auf immer weniger Konsumenten zutrifft. Denn im Handel ist frische Vollmilch in den Regalen weitaus weniger als ESL-Milch anzutreffen. Mittlerweile liegt der Anteil de r pa steurisierten Fr ischmilch n u r m ehr b ei r u nd 1 6,8 P ro z ent, während ESL-Milch bereits auf 60 Prozent zugenommen hat. Der Unterschied liegt im Detail: MilchRegina Brucknerdarf den Zusatz „frisch“ tragen, w enn sie innerhalb einer bestimmten Zeit nach der Gewinnung weiterverarbeitet wird. Sie w ir d n u r k u r z im Rah men der Pasteurisierung erhitzt, und das Mindesthaltbarkeitsdatum darf mi t ma x imal ne u n Tagen (in A u snahmefällen elf Tagen) nach dem Zeitpunkt der Wärmebehandlung angegeben werden. ESL-Milch dage gen w e ist ei ne Ha ltbarkeit v o n mindestens 21 Tagen bei Kühlschranktemperaturen auf und wird weit höher erhitzt als pasteurisierte Milch.Die Qualität der Milch würde dadurch deutlich gemindert, moniert so mancher. Ernährungsexperten wie Kurt Widhalm vom Österreichischen Akademischen In stitut f ü r Er nährungsmedizin ( ÖAI E) w eis en d ara uf h in, d ass sich das längere Mindesthaltbarkeitsdatum auf die ungeöffnete Verpackung beziehe. Nach dem Öffnen sollte länger frische Milch also ähnlich wie pas teurisierte Frischmilch möglichst rasch (innerhalb von fünf Tagen) verbra u ch t w er den.Was die Fra ge der Qualität betrifft, zeige ESL-Milch gegenüber Rohmilch Vitaminverl u s te v on r u nd z ehn Pro zent – ähnlich hoch wie pasteurisierte Milch. Die Vitaminverluste nehmen während der Lagerung zu, de r Ka lziumgehalt bl eibe be i al len Verfahren erhalten. Haben Konsumenten vor, die Milch sofort zu verbrauchen, sei Frischmilch die beste Wahl.Helmut Mayer vom Department für Lebensmittelwissenschaften und -technologie der Boku hingegen kritisiert ein völlig unnötiges „overprocessing“ eines wertv o llen Le bensmittels.A u s er nähr u ng sphysiologischen G r ü n den sei dem Konsum von pasteurisierter Frischmilch definitiv der Vorzug zu geben.Die fast perfekten MehrwegflaschenDie fast perfekten MehrwegflaschenWIRTSCHAFT Seite 11Durchsichtig statt braunFrisch, länger frisch, der Unterschied liegt im Detail.Foto: Imago